Die Immunologin Akiko Iwasaki schließt psychische Ursachen aus, sie setzt wie Prof Scheibenbogen auf das Wissen um Biomarker.
„Eine Möglichkeit ist, dass es sich bei Long Covid um eine anhaltende Virusinfektion handelt.“
„Die zweite Hypothese ist die sogenannte Autoimmunität.“
„Die dritte Möglichkeit ist, dass im Körper schlummernde Viren wie Epstein-Barr-Viren oder andere Herpesviren reaktiviert werden. Das ist bei einer Untergruppe von Long-Covid-Patienten definitiv der Fall … Wir gehen davon aus, dass Virusüberreste sowohl das angeborene unspezifische Immunsystem als auch das spezifische Immunsystem mit seinen T- und B-Zellen aktivieren kann … Es gibt verschiedene Herpesviren, die sich an unterschiedlichen Orten des Körpers verstecken und schwelende Infektionen auslösen. Das Epstein-Barr-Virus, das unter anderem das Pfeiffersche Drüsenfieber auslöst, zieht sich etwa in die B-Zellen des Immunsystems zurück, viele andere Herpesviren in Nervenzellen. Normalerweise hält die Körperabwehr die Viren in Schach. Aber unter bestimmten Umständen können die Viren reaktiviert werden … diese Mechanismen können alle gleichzeitig passieren oder auch nacheinander.“
Die vierte Theorie ist, dass die akute Corona-Infektion zu chronischen Veränderungen und Schäden in verschiedenen Organen führt.
Die Immunologin Akiko Iwasaki geht davon aus, dass 50% der Long Covid Patienten auch ME / CFS entwickeln.
ZEIT ONLINE: “ Sie wollen also nicht ausschließen, dass es nach einer Sars-CoV-2-Infektion Folgeschäden gibt, die erst in ein paar Jahren auftreten werden?“
Iwasaki: „Nein, absolut nicht. Wir sehen in einigen Studien bei Long-Covid-Patienten und Corona-Infizierten im Allgemeinen einen Anstieg von bestimmten Markern im Blut, von denen wir wissen, dass sie bei neurodegenerativen Erkrankungen erhöht sind. Ich frage mich: Selbst wenn diese Menschen jetzt kein #LongCovid haben, wo stehen sie dann in ein paar Jahren oder Jahrzehnten? Haben weite Teile der Bevölkerung aufgrund ihrer Corona-Infektion ein erhöhtes Risiko für Alzheimer oder Parkinson, ohne dass sie davon wissen? Das wird man erst im Rückblick sehen.“
„Es gibt leider noch nicht den einen Messwert [Biomarker], der eine Diagnose erlaubt. Wir konnten zeigen und bestätigen, dass Betroffene einen niedrigen Wert des Stresshormons Kortisol haben. Die anderen Biomarker, die wir bisher ausfindig gemacht haben, müssen noch validiert werden, in Tausenden von Patienten.“
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.08.09.22278592v1
„Unsere Daten stützen eine biologische Ursache der Krankheit. Wir können anhand von immunologischen Parametern, einfachen Laborwerten also, Long-Covid-Patienten von Gesunden unterscheiden. Es gibt also keinen Grund, eine andere Erklärung [psychisch] ins Feld zu führen.“
„Bei Geimpften liegt das Risiko, nach einer Infektion Long Covid zu bekommen, wahrscheinlich um ungefähr 30 Prozent niedriger … Unsere Arbeitsgruppe arbeitet gegenwärtig an nasalen Impfstoffen, die den Vorteil haben, dass sie das Virus dort aufhalten, wo es in den Körper gelangt. Das sollte nicht nur die Krankheit, sondern auch die Ansteckung und Transmission verhindern.“
ZEIT ONLINE: Immer wieder berichten Menschen, nach der Impfung ähnliche Symptome zu entwickeln wie Long Covid-Patienten. […] . Gibt es das wirklich?
Iwasaki: „Ja, bei einer sehr kleinen Gruppe. Und es gibt auffallende Ähnlichkeiten zwischen diesen Fällen und Long Covid.“
Iwasaki: „Die (Long Covid) Patienten sind die ExpertInnen ihrer eigenen Krankheit … Viel unserer Forschung geht auf Anekdoten unserer Patienten zurück. Ich glaube, die Art und Weise, wie wir Medizin- und Biowissenschaft machen, muss sich generell ändern. Die Wissenschaftler wissen nicht immer alles besser, sie müssen auch zuhören … Ich bin sicher vorsichtiger als andere. Ich achte darauf, dass meine Impfungen aktuell sind und ich trage drinnen eine Maske, wenn viele Menschen zusammenkommen. Ich bin bisher tatsächlich an einer Infektion vorbeigekommen.“